Als Deutscher bin ich natürlich nicht befugt, über diesen östlichen Begriff zu sprechen,
würde aber gerne einige Ansichten ansprechen, die ich für Missverständnisse halte.
Wir im Westen assoziieren aufgrund unserer christlichen Prägung oft Schuld mit Karma,
und setzen das dann gleich mit Bestrafung für Dinge, die wir, weil wir sie nicht greifen können in vorherige Leben rein projizieren.
Den Fehler, den ich in dieser Interpretation sehe, ist, dass es ja gar nicht klar ist, was Schuld bedeutet, wie man am Spiel wechselnder Ansichten sehen kann:
Die suggerierte Wichtigkeit eigener Vorstellungen
Jemand mag mit vollem Herzen für eine politische oder spirituelle Position eingestanden oder sogar gekämpft haben, wobei die andere Ansicht einem oft später oft auch verständlich geworden ist.
Je mehr man sich also dafür engagiert hat, desto mehr Fehler könnte man langfristig gemacht haben.
Deswegen sagen die Indischen Veden, dass das Ziel der Entwicklung nicht das sei, ein “perfekter” Mensch zu werden, sondern besser die Achsen der eigenen Polarität ausschwingen zu lassen – also sich z.Bsp. nicht vom Kriminellen zum Polizisten zu wandeln, weil dann die Gefahr besteht, in der Achse zwischen Gut und Böse wieder korrupt zu werden.
Meiner Meinung nach besteht Karma aus Missverständnissen, die einem deswegen das Leben schwer machen, weil man bei unklarer Sicht(weise) gegen Hindernisse rennt.
Das veraltete Dogma des Fleißes
Während es früher wichtig war, dass Jeder in seinem Stamm mithilft, ist das Dogma der harten Arbeit im Zeitalter des maschinellen Kapitalismus zu einem umweltzerstörenden Wachstumswahn angewachsen.
Die spirituell fortgeschrittenere Erklärung ist in Sri Swami Satchidananda’s Interpretation der Yoga-Sutras von Patanjali (1978) zu finden:
“
In Realität bist Du der Zeuge, aber wenn Du die Realität nicht verstehst, bist Du der Agierende.
Wenn Du der Agierende wirst, bist Du verantwortlich für Deine Aktionen;
wenn Du der Zeuge bist, bist Du nicht für Deine Aktionen verantwortlich,
[…] weil Du nicht agierst.
Also agiere entweder – und sei verantwortlich,
oder erlaube dem Geist und Körper zu agieren, und sei total frei.
“
Speziell der Westen hat diesen Aspekt meiner Beobachtung nach noch nicht begriffen, weil er die Prioritätensetzung auf das Tun legt.
Sogar fortgeschrittene westliche spirituelle Wege sind darauf ausgelegt, dem beruflichen Agieren den Vorrang zu geben, und die spirituelle Praxis ganz langsam im Hintergrund laufen zu lassen (was zweifelsohne der gesellschaftlich verträglichere Weg ist).
Aber selbst Praktiziernde östlicher Lehren leben das Konzept der langsamen Entwicklung, weil sie als an Reinkarnation Glaubende der Überzeugung sind, Alle Zeit der Welt zu haben.
Das zu langsame Aussteigen aus karmischen Mechanismen
Das Problem mit dieser weltlichen Prioritätensetzung ist meiner Beobachtung nach nur der, dass während des weltlichen Agierens weiterhin Karma angehäuft wird, was sich meist im Alter in Form von Reue oder Krankheiten bemerkbar macht.
Oft ist es genau dann, wenn die Karma-Anhäufung stärker als unsere Bemühungen waren, dass sich selbst Atheisten Religionen zuwenden, weil sie in ihrer Verhaftung an ihre Körperlichkeit nur noch Gnade und Wunder als Lösung sehen.
Auch die oft zelebrierte New-Age-Spiritualität mit dem positiven Denken des Gesetzes der Anziehung, oder des Advaita-Vedanta-Bewusstseins, dass wir ja sowieso schon Eins mit dem Universum sind, scheinen mir nur Joker zu sein, um der unangenehmen und anstrengenden Arbeit der meditativen Selbst-reflexion zu entgehen.
Genau aus diesem Grund bin ich mit diesem Meditations-kurs so bemüht darum, Menschen nicht nur in eine Wellness-Übung einzuführen, sondern hinter den Punkt der eigenen Komfort-zone – und damit dem Eintauchen in mystisches Bewusstsein – zu bringen.